Samstag, 10. September 2011

anja und das Laufen

Hätte mir jemand vor drei Monaten gesagt "Du wirst zur Läuferin" - hätte ich lauthals gelacht, die tausend Versuche aufgezählt die ich in meinem Leben unternommen habe um zur Läuferin zu werden und damit wäre für mich der Fall erledigt gewesen.

Versuch dreiundrölfzig endete unter anderem so:
anja geht in ein Sportfachgeschäft, macht eine Laufbandanalyse, probiert sich durch Berge von Sportschuhen die ein durchtrainierter leckerer Verkäufer heran schleppt und mir bei jedem geöffneten Schuhkarton einen kleinen Vortrag über dessen Vorzüge erzählt.
Ich kaufe einen dieser bevorteilten Schuhe, dazu noch eine Laufhose, ein Laufshirt, Funktionsunterwäsche, einen Sport-BH, mehrere Paar Laufsocken, eine passende Laufjacke, nur zur Pulsuhr lasse ich mich nicht überreden, am Ende ziehe ich meine kleine Plastikkarte durch das Lesegerät und stehe mit drei Tüten bepackt vor dem Laden.

Ich packe zu Hause alles aus, wasche meine tollen Sachen, natürlich mit dem angepassten Waschmittel und am nächsten Morgen, stehe ich brav auf, so wie das Laufbuch des Sportpapstes es mir sagt und beginne die vorgegebene lockere Aufwärmübung.
Ich japse schon bevor es überhaupt los geht und nach den ersten 20 gelaufenen Metern breche ich fast zusammen. Das Seitenstechen ist mörderisch, ich verschiebe auf den nächsten Tag.
Und ja, die teuer erworbenen Sachen zwingen mich quasi dazu es noch ein paar Mal zu versuchen.

Die Abrechnung der Plastikkarte treibt mir fast die Tränen in die Augen und die Blasen an die Füße, schließlich muss ein guter Grund her, warum ich gerade jetzt nicht mehr laufen kann.
Am Ende der Woche stelle ich Schuhe und die mit Funktionswaschmittel gewaschenen Funktionssportklamotten in den Kleiderschrank der am wenigsten benutzt wird, mache einen Haken hinter meine Laufkariere und widme mich anderen Dingen die nicht so schweißtreibend sind.

Ich kann laufen, sehr gut und recht lang sogar, ich kann walken, mit und ohne Stöcke, ich kann schlendern, ich kann spazieren gehen, ich kann auch mal so fünf bis sieben Meter rennen, wenn es sein muss, aber mein Körper ist _nicht_ zum joggen geeignet. Das sage ich jedem der es wissen will, oder eben nicht.

Das sagte ich damals schon meiner Sportlehrerin, wenn sie uns wieder einmal an einem windstillen Tag, bei schlappen 30, gefühlten 40 Grad über das rote Oval des Außensportplatzes jagte.
Aber sie hatte kein Erbarmen, auch nicht wenn alle mit hoch roten Köpfen und aus den Ohren qualmend, heulend, wimmernd, schreiend und tobend vor ihr standen. ÄTZEND!

Nun gut, da ich das laufen an sich ja gerne mag, habe ich also im Frühjahr angefangen mit eine schöne Nordic Walking Runde zu suchen und diese mindestens dreimal die Woche zu walken.
Es klappte perfekt, die Musik in meinen Ohren, die sich verändernde Natur und der schöne Weg luden mich jedesmal aufs neue ein und ich freute mich schon immer auf den Weg.

Dann las ich von einem Programm Couch to 5 k - in neun Wochen von der Couch zu 5km joggen.
Ich lachte leise, las aber trotzdem Erfahrungsberichte, kann ja schließlich nicht schaden zu lesen wie es anderen dabei so geht. Unsportlichen, wirklich von der Couch gekommenen.... ich las fleißig, litt mit und freute mich über die Erfolge völlig fremder Menschen. Die können das, deren Körper sind halt auch Modelle, die zum joggen gemacht sind, meiner ist das halt nicht.

Ich las und las, als jemand schrieb, er würde nun schon 20 Minuten am Stück joggen können, bekam ich schon vom zulesen Seitenstechen und Atemnot.

....vielleicht sollte ich.... Nenene, wie kann so ein Gedanke nur... NEIN! Keinesfalls...

Das kleine Engelchen auf meiner Schulter forderte mich dazu auf, wenigstens mal wieder den Schrank mit den teuren Sportklamotten zu öffnen, rein zu linsen und.... NEIN!
Ich werde keine weitere Joggingniederlage erleiden... deshalb fange ich gar nicht damit an.

Während einer Geschäftsreise meiner besseren Hälfte, auf die ich ihn begleitete und während seiner Arbeitszeit im Park saß und mit meinem Iphone nach Apps für Laufstrecken suchte, stolperte ich quasi über die App von C25K. Ich könnte sie ja wenigstens mal runter laden....
Ich lud und ließ sie auf dem Iphone schmoren.
Hah, so kann sie mir nämlich nichts, aber sollte es mich überkommen, könnte und hätte und überhaupt, sie wäre ja schon da.

Wieder ein paar Wochen später las ich das einige das Programm nun schon fertig durchlaufen hätten, sich gut fühlen würden und es jedem nur empfehlen könnten. Aha... die kennen mich also nicht.

Aber nun hatte es mich endgültig gepackt. Ich schnürte meine Laufschuhe, sagte mir, das ich es einfach mal probiere und wenn es nicht geht gehe ich eben weiter am Stock - natürlich am Nordic Walking Stock!

Also Woche 1: huch, das läuft ja perfekt!!
Woche2: es läuft noch immer perfekt!
Woche 3: eigentlich sollte sich jetzt mein Knie melden, das meldet sich nämlich immer wenn ich jogge - das Knie schweigt und ich laufe und staune!
Woche 4: ich fliege in den Urlaub, im Gepäck meine Laufschuhe und die feste Absicht zu laufen, Montag ist Lauftag, ich laufe, schaffe aber nicht die gesamte Strecke und schiebe es auf die Hitze. 35 Grad und Sonne sind anders als der "Sommer" zu Hause. Aber am nächsten Tag bekomme ich Fieber und eine dicke Erkältung. Es war also deshalb. Den Rest des Urlaubs verbringe ich auf dem Liegestuhl.
Woche 5 1/2: wieder zu Hause, wieder gesund, die Angst im Nacken, die Angst die Strecke wieder nicht zu schaffen, die Angst das alles umsonst war und ich wieder anfangen muss... alles unbegründet, ich laufe den Lauf den ich im Urlaub nicht geschafft habe problemlos und fühle mich perfekt.
So geht es weiter bis ich mich eine Woche drauf in geistiger Umnachtung beim Womens Run in München anmelde.
Ab dem Zeitpunkt bekomme ich Angst, ich schaffe die 5km eigentlich noch gar nicht, ob alle anderen die 5km durch laufen? Ich als einzige die dann ein Stück läuft? Was wenn die Wege bergan gehen? Das kann ich auch nicht sooo gut... mein Übungsweg geht recht eben, mit kleiner Steigung.
Noch gut eine Woche und der feste Wille es zu schaffen.

Ich jammere meiner besseren Hälfte die Ohren voll von meiner Angst.
Er setzt sich aufs Fahrrad, ich laufe nebenher, er feuert mich an und bleibt fünf km neben mir, feuert mich an, gibt mir Zeiten, gibt mir Auskunft wie schnell ich laufe und nach 34 Minuten habe ich 5 km geschafft. Das erste Mal in meinem Leben, nach dem Abbremsen auf Laufgeschwindigkeit fühlen sich meine Beine komisch an, wie auf Watte, sie wollten noch weiter laufen... wow. Ich staune und nun freue ich mich auf den Run.

Es ist Samstag der 10.09.:
Ich freue mich, ich bin angespannt, neugierig und zappelig.
Das Wetter ist heiß, viel Sonne und der Lauf erst am Nachmittag.

Ich habe Zweifel.... mache mich ein klein bisschen selber verrückt, aber ich laufe und als ich laufe laufe ich und laufe und laufe!
Ich laufe ohne Zeitmessung, ich laufe des Laufens wegen, um mir zu beweisen das ich auch ein Läufer bin und es tut gut. Auch wenn es heiß ist, auch wenn es eher einem Slalomlauf gleicht als einem Lauf.
Und ich schaffe es ins Ziel!

YEAH, ich bin ein Läufer!!!!
Ich bin Stolz!
Noch nie habe ich so etwas durch gezogen, im letzten Moment gerne doch gekniffen, aber ich habe es geschafft! Ich bin gelaufen!

Und... ich laufe weiter *g*

Als wir ans Auto kommen hängt am hinteren Scheibenwischer ein Werbeflyer, ein Flyer für den Avon-Lauf, Frauen laufen gegen Brustkrebs und was habe ich gerade gemacht? Genau, mich angemeldet!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen